Dank an die ehrenamtlichen Helfer in der Flüchtlingsarbeit in Melle

In der Veranstaltung der Stadt Melle am 10. Februar 2017 dankte Bürgermeister Reinhard Scholz den vielen freiwilligen Helfern, die den hier angekommenen Geflüchteten seit gut einem Jahr helfen, sich in Deutschland  zu recht zu finden.

Wir waren eingeladen, unsere Erlebnisse auf der Aquarius im letzten Sommer zu schildern und unser Projekt, die Graphic Novel „Liebe deinen Nächsten“, vorzustellen.

Ein weiterer Programmpunkt waren die Bilder des Künstlers Nader Sweid, der bei der Vorstellung seiner Werke eindrücklich über seine Erfahrungen auf der Flucht berichtete.

Vielen Dank  an den Organisator des Abends, Herrn Nils Oberschelp, Ansprechpartner und Koordinator der Flüchtlingshilfe Stadt Melle, der diesen Abend möglich machte.

Nach den Vorträgen gab es die Möglichkeit, sich kennen zu lernen und Erfahrungen untereinander auszutauschen.

Hier geht es zu den Berichten des Meller Kreisblattes und der Stadt Melle.

Vielen Dank an Herrn Jürgen Krämer für die Bereitstellung der Fotos.

 

 

Schüler besuchten Ausstellung im WDR Landesstudio

Die Schüler der Gesamtschule Friedental aus Herford beschäftigen sich im Rahmen einer Projektarbeit mit dem Thema Flucht. Peter Eickmeyer konnte sie am 26. Januar 2017 in der Ausstellung begrüßen. Wir freuen uns, ihnen einen direkten Einblick in die Situation der Fliehenden auf der zentrale Mittelmeerroute geben zu können. Die Gelegenheit nutzten die Schüler, um viele Fragen zu stellen. Vielen Dank auch an die Kunstpädagogin Frau Nina Koch, die diese „Unterrichtsstunde“ organisiert hat.

Internetseite der Gesamtschule Friedenstal

 

Vernissage im WDR Landesstudio Bielefeld

Am 15. Dezember fand in der Studiogalerie des WDR die Eröffnung unserer aktuellen Ausstellung statt.  In einem von Cordula Helmig moderierten Gespräch und einer kurzen Lesung gaben wir Auskunft über unser Projekt und unsere Erfahrungen während unserer dreiwöchigen Mitfahrt auf der MS Aquarius. Wir möchten uns ganz herzlich bei dem Team des WDR bedanken, ganz besonders bei Conny Böcker und Cordula Helmig.

Bis zum 30. Januar haben Besucher die Gelegenheit sich Bilder und Skizzen zu unserem Buchprojekt anzuschauen.

Kunsttage Detmold – Buchkunst

Buch als Kunst – Kunst im Buch.

Am 9. September fand die Vernissage der 43. Kunsttage Detmold statt. Für eine Woche sind in der Stadthalle verschiedenste Exponate aus ganz Deutschland zum Thema  Buch zu sehen.

Peter Eickmeyers Bilder und Skizzen, die während und nach dem dreiwöchigen Aufenthalt auf dem Seenotrettungsschiff MS Aquarius entstanden sind, sind an zentraler Stelle ausgestellt. Eine kurze Vorstellung unseres Projektes „Liebe deinen Nächsten“, der Organisation SOS MEDITERRANEE und der Arbeit auf der Aquarius runden unseren Beitrag ab.

Die Ausstellung ist noch bis  einschließlich Freitag geöffnet.

Stadthalle Detmold

10.09. bis zum 16.09.2016

täglich 11:00 – 18:00

Alle Bilder sind käuflich zu erwerben.
25 Prozent des Erlöses gehen an SOS MEDITERRANEE.

Vielen Dank an Anja Kleinsorge und ihrem ganzen Team für die rundum gelungene Organisation.

 

 

 

Menschenbilder

Im Rahmen unseres Buchprojektes werden wir auch die Menschen an Bord der Aquarius vorstellen, die wir während unseres dreiwöchigen Aufenthaltes kennengelernt haben. Das werden sowohl einige unserer Freunde der Crew sein als auch einige der geretteten Menschen. Gaby hat zu diesem Zweck viele Interviews geführt und Peter ist momentan dabei, eine Portraitreihe zu malen. Hier ein erstes Beispiel und seine Entstehung in verschiedenen Phasen bis zum fertigen Menschenbild.

Wieder sind Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, gestorben

Gestern am 20. Juli wurden bei einem Rettungseinsatz der Aquarius 22 Tote an Bord eines Schlauchbootes in einer Lache aus Benzin und Meerwasser gefunden. Wahrscheinlich sind sie erstickt.

22 Menschen voller Hoffnung auf ein besseres Leben starben einen sinnlosen Tod.

Solange es keinen sicheren Weg von Libyen nach Europa gibt, wird das Sterben weitergehen.

SOS MEDITERRANEE +++ Sterben im Mittelmeer geht weiter – 22 Tote +++

Rückblick 1: Auf dem Weg nach Messina

Nach unseren ersten Rettungseinsätzen am 23. Juni sind wir auf dem Weg nach Messina, eine Hafenstadt auf Sizilien; auch das Tor nach Italien genannt. Sizilien ist hier ganz nah an der Spitze des italienischen Stiefels. Wir haben bei zwei Einsätzen, einer Tages- und einer Nachtrettung sowie bei einem Transfer über 650 Menschen an Bord genommen.

Jetzt steht die weitere Versorgung mit Essen an. Bei der hohem Zahl an Flüchtlingen dauert das schon etwas länger und jeder fasst mit an. Vormittags wird in Portionen abgepacktes Tabouleh und Brot verteilt. Abends gibt es Reis: „Adventure Food“ steht auf der Packung. In den Tüten wird der Reis mit heißem Wasser verrührt, wieder verschlossen und in eine Box gestellt. So bleibt er heiß und es gibt eine warme Mahlzeit.

Nach der ersten Nacht an Bord sind unsere Gäste jetzt schon etwas lebhafter. Die Kinder haben Stofftiere zum Spielen bekommen.

Wir fragen einige, ob sie uns ihre Geschichte erzählen wollen. Die meisten kommen aus Westafrika, aus Mali, Guinea-Conakry, Ghana und Elfenbeinküste. Einige aus Ostafrika; aus Eritrea oder Südsudan. Sie fliehen aus unterschiedlichen Gründen: vor Krieg, Terror, Unterdrückung und wirtschaftlichem Niedergang oder aus allem zusammen. Sie erzählen von ihrem Weg durch die Wüste und von ihrem Aufenthalt in Libyen. Einige sind schon seit mehr als einem Jahr unterwegs, andere erst zwei Monate. Die Geschichten von der Durchquerung der Sahara und der Aufenthalt in Libyen offenbaren die Schrecken der Flucht.

Die Sahara wird auf völlig überfüllten Pick-ups durchfahren. Zu den Gefahren der Wüste kommt hier noch hinzu, dass sich die Fliehenden während der Passage ganz ihren Schleppern anvertrauen müssen. Korruption und kriminelle Banden bedrohen sie. Mehrfach wird erzählt, dass für diejenigen, die von den Wagen fallen, nicht angehalten wird. Es gibt wenig zu essen und zu trinken. Die Schleuser erpressen mit Androhung von Gewalt (das letzte) Geld. Wer kein Geld hat, ist ihrer Willkür ausgeliefert. In Libyen angekommen, ist auch dort die Situation für Schwarzafrikaner sehr gefährlich. Libyen hat keine einheitliche Regierung. Seit dem Sturz von Diktator Gaddafi haben sich mittlerweile zwei rivalisierende Regierungen gebildet. Auch der IS gewinnt an Einfluss. Die Wirtschaft liegt am Boden. Schwarzafrikaner haben keinerlei Rechte in diesem Land. Sie werden auf offener Straße beraubt, gekidnappt oder ins Gefängnis geworfen. Sie sprechen von Menschenhandel, Zwangsarbeit und Tod. Viele versuchen in Libyen Geld für die Überfahrt mit dem Boot nach Europa zu verdienen.

Irgendwann landen die meisten von ihnen in Häusern nahe der Küste. Dort müssen sie manchmal bis zu einem Monat warten, bis sie in der Nacht in die Boote gebracht werden. Einen Weg zurück gibt es nicht. Die meisten wissen, dass die Überfahrt nach Italien große Risiken birgt. Einigen wird es erst auf dem Meer klar. Von den Schleusern werden sie oft belogen, die Überfahrt dauere 2 oder 6 Stunden. Sobald die Boote losfahren, befinden sie sich in Seenot.

All diese Risiken nehmen sie auf sich in der Hoffnung auf ein sicheres und besseres Leben. Auf Gedeih und Verderb begeben sie sich auf eine wahre Odyssee.

Die Bundesregierung zeigte sich jüngst erleichtert, die Flüchtlingszahlen sinken. Die Operation Sophia soll die Schmugglernetzwerke zerstören und die Migration über die zentrale Mittelmeerroute eindämmen. Die Fliehenden werden aber nicht weniger. Nur wird Europa immer weiter zu einer Festung ausgebaut. Es gibt immer wenigere und gefährlichere Wege hinein. Auf dem Mittelmeer sterben mehr Menschen als jemals zuvor. Das Geschäft der Menschenschmuggler blüht. Kann man glauben, dass in Zeiten der Globalisierung die Menschen aufzuhalten sind. Glaubt Europa, dass sich Menschen, die keine andere Wahl haben, aufhalten lassen. Kann man in Kauf nehmen, dass diese Menschern einfach ertrinken?

Oxfam veröffentlichte gerade eine Studie nachdem die sechs reichsten Staaten der Welt, die über die Hälfte der globalen Wirtschaftskraft verfügen, nur neun Prozent aller Flüchtlinge aufnehmen.

Auf dem Schiff fühlen sich die Geretteten sicher. Man sieht ihre Hoffnung und ihre Energie, jetzt wo sie die größten Gefahren überstanden haben und meinen, kurz vor ihrem Ziel zu sein. Viele wissen nicht, was sie in Europa erwartet, andere nur zu gut. Zwei Tage und Nächte sind sie Gäste auf der Aquarius. Diese Zeit ist eine Zeit der Sicherheit und Erholung.

Wir passieren Lampedusa. Ab und zu sehen wir andere Schiffe.

 

So nähern wir uns langsam Sizilien. Abends können wir schon die Küste sehen. Es gibt eine grandiosen Sonnenuntergang mit Blick auf den Ätna.Und als wäre das nicht genug, taucht wieder eine Schule Delphine auf. Alle auf dem Schiff sind wie verzaubert.

 

Am nächsten Morgen werden wir in Messina anlegen. Dort werden die Migranten von den italienischen Behörden übernommen.

Wieder zuhause

Nun sind wir wieder zuhause. Wir wären gerne noch an Bord geblieben und hätten gerne noch die nächsten drei Wochen auf dem Schiff verbracht. In Gedanken sind wir bei unseren neuen Freunden auf dem Schiff. Wir werden auch weiter auf diesem Blog von unserer Fahrt berichten. Nur geht es nicht ganz so schnell. Wir sind beide gleich wieder zur Arbeit gegangen und der Tag hat  leider nicht mehr als 24 Stunden. Aber in Kürze…

Die Zeit auf der Aquarius verging wie im Flug. Nach den Rettungseinsätzen am Donnerstag, den 23.Juni, wurden die Flüchtlinge nach Messina, einer Hafenstadt auf Sizilien, gebracht. Dort wurden sie von den Behörden und einigen NGOs in Empfang genommen. Wir wünschen Ihnen, dass sie in Europa gut ankommen und bleiben können. Es wird ein schwerer und langer Weg werden.

Dann ging es sofort zurück in die SAR-AREA. Wieder gab es einen Rettungseinsatz, bei dem 111 Insassen eines Schlauchbootes aufgenommen wurden und zudem wurden in weiteren Transfers 467 Menschen an Bord genommen. Mit den 578 Geretteten fuhren wir dann nach Trapani. Trapani ist zur Zeit auch der Heimathafen der Aquarius. Das Schiff blieb für drei Tage im Hafen und es fand ein teilweiser Crew-Wechsel statt. Auch wir gingen am 02. Juli von Bord.

Am Dienstag, den 05. Juli, hat die Aquarius bei einem Rettungseinsatz und bei zwei Transfers 336 Menschen aufgenommen.

An diesem Tag wurden im Mittelmeer 4.500 Schiffbrüchige in 30 Einsätzen gerettet.

Die Aquarius hat in ihrem jetzt etwas mehr als 4-monatigen Einsatz 3.811 Menschen aus Seenot gerettet.

Rettungseinsätze

01_Das_SAR-Team_Aquarell

Der elfte Tag auf See, der neunte Tag in SAR-AREA

Kurs: Westen, Wellen, Wind

7:00

Wir driften nicht mehr, sondern fahren zügig Richtung Westen. Die See ist recht ruhig.

Auf der Brücke erfahren wir, dass das Maritime Rescue Coordination Center MRCC uns empfohlen hat, Richtung Westen zu fahren. Es wird von drei Schlauchbooten im Westen gesprochen. Die Zahl der Boote steigt schnell.

8:30

Wir erfahren, dass sich zwei Boote östlich von Tripolis auf dem Weg in die internationalen Gewässer befinden. Wir ändern den Kurs und fahren wieder ostwärts. Für die 30 Meilen werden wir an die drei Stunden brauchen. Kapitän Alex ruft im Maschinenraum an: „Power to the engine.“ Wir fahren mit einer Geschwindigkeit von 10 Knoten.

Vom MRCC erhält jeder Rescue-Einsatz eine Nummer: Unser lautet: Case Number 662. Dies ist also die 662. Rettung in diesem Jahr.

Das MRCC gibt uns die Positionsdaten durch unter Angabe der Zahle der Boote.

Sie befinden sich auf einer der gefährlichsten Flüchtlingsrouten weltweit. Während der Flüchtlingszustrom über die Balkanroute aufgrund des Abkommens der EU mit der Türkei zurückgegangen ist, versuchen umso mehr Migranten über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen.

9:30

Es gibt bereits mindestens drei weitere Einsätze. Die Bourbon Argos, die Dignity und Sea-Watch 2, alles zivile Rettungsschiffe, liegen alle nah bei einander im Westen. Mittlerweile sind wir jetzt wieder so weit östlich wie am frühen Morgen.

Am Horizont kann man die Silhouette eines Bootes erkennen. Als wir näher kommen, sehen wir, dass es ein Fischerboot ist.

Wir werden noch etwa anderthalb Stunden brauchen, um das Schlauchboot zu erreichen.

10:00

Letzte Absprachen vor dem Einsatz erfolgen mit dem SAR- und MSF-Team sowie mit dem Kapitän.

04_letztes_Briefing_vor_Einsatz

10:30

Ein Helikopter fliegt über den Horizont und über das Fischerboot.

03_Helicopter_fliegt_vorbei

10:45

Die Rettungsboote werden vorbereitet. Der Kran in Position gebracht und Boot 1 befestigt. Das Schlauchboot der Aquarius wird für alle Fälle noch etwas aufgepumpt. Es dient als Reserve.

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11:30

Alle stehen in Startposition bereit.

Am Horizont ist ein großes Marineschiff zu sehen. Der Helikopter ist ebenfalls unterwegs.

Östlich haben wir unsere Position erreicht. Wir wenden und fahren Richtung Süden auf die Position des Schlauchbootes zu. Weitere Informationen zwischen dem MRCC und der Aquarius werden ausgetauscht.

Boot 2 wird vorbereitet.

11:40

Zwischen dem Militärschiff und unserem Schiff ist jetzt am Horizont ein auf- und abhüpfendes Etwas zu sehen. Wir fahren direkt darauf zu. Beim Näherkommen sieht man, dass es ein vollbesetztes Schlauchboot ist. Es dauert noch längere Zeit, es zu erreichen. Währenddessen sind langsam Einzelheiten zu erkennen. Man beobachtet und wartet. Das Boot hüpft weiter stark auf und ab. Wir sind noch ungefähr vier Meilen entfernt.

07_Sichtkontakt_zum_Schlauchboot

12:00

Das Flüchtlingsboot ist gut zu sehen. Mittlerweile kann man die einzelnen Menschen erkennen. Das Boot ist völlig überfüllt und die Menschen sitzen in Reihen bis auf die Seiten des Bootes gedrängt.

08_wir_naehern_uns_dem_Schlauchboot

Wir stoppen ungefähr 400 Meter entfernt und Boot 1 wird zu Wasser gelassen, es lädt die großen Taschen mit den Rettungswesten und fährt zu den Schiffbrüchigen. Der Cultural Mediator und die Ärztin geben per Megaphon Anweisungen. „Bitte Ruhe bewahren “ Alle müssen sitzen bleiben. Boot 2 – ebenfalls mit Rettungswesten ausgestattet – nähert sich. Die Westen werden verteilt. Dann werden die Flüchtlinge in kleinen Gruppen von Boot 1 an Bord gebracht. Es fährt wie ein Shuttle hin und her. Der Kapitän steuert die Aquarius währenddessen so, dass sie einen Wind- und Wellenschutz bietet.

Zuerst kommen die Frauen, Kinder und Verletzte. „Bonjour, Bienvenue, ca va? Gardez la bouteille!“ Sie alle erhalten ihr Rescue-Kit, indem auch eine Flasche Wasser ist. Die Frauen weinen alle. Sie werden mit ihren Kindern und einem unbegleiteten 10jährigen Jungen im Shelter-Room untergebracht.

18_Empfang_an_Bord

Nun kommen die Männer die Treppe des Bootsanlegers hoch. Sie werden begrüßt und ebenfalls mit ihrem Paket versorgt. Einige sind vollkommen erschöpft, manche wirken benommen, andere können nicht sprechen vor Durst. Einige müssen sich erst einmal setzen oder auf den Boden legen. Manche frieren. Ein 15jähriger Junge ist am Fuß verletzt und kann kaum gehen. Andere lachen vor Freude, dass sie gerettet sind. „Merci. Bonjour! Merci, Madame“ Viele tragen zerfetzte Kleidung, manche haben nur noch Unterwäsche und T-Shirt an. Fast alle sind barfuß. Nachdem sie ihre Nationalität und ihr Alter angegeben haben, können sie sich endlich achtern auf dem hinteren Teil des Hauptdecks ausruhen. Einige haben schon Hunger. In ihren Versorgungspaketen finden sie auch etwas zu essen.

19_Verteilung_der_Rescue-Kits

Auch die Frauen erlangen nach einer Dusche und nachdem sie wissen, dass sie hier in Sicherheit sind, ihre Fassung zurück.

Das bedeutet nicht, das die Geretteten nicht furchtbare Strapazen – körperlich wie seelisch – ausgesetzt waren.

Zu guter Letzt wird das Schlauchboot vom SAR-Team zerstört. Es dümpelt noch eine Weile mit aufgeschlitzten Luftkammern am Heck der Aquarius vorbei, bevor es versinkt.

22_Schlauchboot_wird_versenkt

14.30

Die Rettungsboote sind wieder an Platz und Stelle. Der Einsatz hat gut funktioniert, obwohl die Wellen schon recht hoch waren. Das SAR-Team hat gute Arbeit geleistet. Mit der Übergabe an Bord hat das MSF-Team eine kurze Erstdiagnose der Menschen durchgeführt und betreut sie weiterhin.

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Es sind 132 Gerettete. Davon 14 Frauen und 31 Minderjährige, von denen wiederum 27 unbegleitet unterwegs sind. Zwie Jungen der unbegleiteten Jungen sind erst 10 bzw. 15 Jahre alt. Sie kommen unter anderem aus Mali, Guinea-Conakry, Elfenbeinküste, Eritrea und Südsudan.

23_unsere_neuen_Gaeste_an_Bord24_gluecklich_an_Bord

Einige erzählen, dass sie um 1:30 Uhr in der Nacht von Schleusern an den Strand gebracht worden sind. Sie sprechen von bis zu 1.000 Leuten.

Das Marineschiff hatte ebenfalls einen Rettungseinsatz. Mindestens ein weiteres Boot wird noch gesucht.

Sämtliche zivilen Rettungsschiffe in der SAR-AREA sind im Einsatz. Alle sind voll ausgelastet.

Wir folgen dem Marineschiff, dass noch nach dem vermissten Boot sucht. Möglicherweise sollen alle Geretteten mit unserem Schiff nach Italien gebracht werden. Das können über 500 Menschen werden. Es wird weiterer Platz an Deck für die Flüchtlinge eingerichtet. Zur Zeit wissen wir noch nicht, wohin genau die Schiffbrüchigen gebracht werden sollen. MRCC wird anweisen, welchen Hafen wir ansteuern werden.

15:00

Für das SAR-Team kehrt erst einmal Ruhe ein. Sie können essen und sich ein wenig ausruhen. Dann müssen sie die Boote und das Deck in Ordnung bringen.

17:00

Die Brücke erhält neue Informationen vom MRCC. Es wird eine weitere Position eines Schlauchbootes durchgegeben. Es ist 3-4 Stunden entfernt. Wir wenden und fahren mit einer Geschwindigkeit von 10 Knoten in die angegebene Richtung. Wenn wir schnell sind, können wir es vielleicht noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.

Die Fallnummer lautet 674.

Mittlerweile wird von 27 Schlauchbooten gesprochen, die heute von der Küste gestartet sind.

Die Zahl der Schiffbrüchigen ist auf 4.000 gestiegen.

20:00

Das dritte Boot ist immer noch nicht gefunden worden. Die Wellen sind stärker geworden.

Für eine Suche in der Nacht ist die Aquarius nicht optimal ausgerüstet. Trotzdem wird auch nach Einbruch der Dunkelheit weiter gesucht.

26_Suche_am_Abend_Sonne_geht_unter

22:00

Noch immer ist unklar, ob wir die Schiffbrüchigen, die die Marine gerettet hat, ebenfalls aufnehmen. Wir versuchen weiterhin das dritte Boot zu finden. Es gibt standardisierte Suchmuster, nach denen sich der Kurs richtet.

27_Suchscheinwerfer_im_Einsatz

23:00

Die Schiffscrew und das SAR-Team geben die Suche nicht auf. Ein Signal taucht immer kurz auf dem Radar auf und verschwindet wieder. Es könnte das Boot sein. Mit zwei Suchscheinwerfern wird das stockdunkle Meer auf beiden Seiten abgesucht. In den Lichtkegeln wird mit Hilfe von Ferngläsern Ausschau gehalten. Ein Vogel löst falschen Alarm aus.

28_Signal_auf_dem_Radar

23:30

Dann wird das Boot tatsächlich gesichtet. Das grenzt schon fast an ein Wunder. Das angeleuchtete Boot erscheint weiß in der dunklen See. Der abnehmende Mond steht hoch über dieser fast surreal anmutenden Szene. Die Flüchtlinge werden direkt vom Schiff über Megaphon angesprochen. Es wird ihnen gesagt, dass wir nicht die Polizei sind. Das wir Europäer sind und sie nach Europa bringen. Dann beginnt das Procedere des Rettungseinsatzes: Boote zu Wasser lassen und alle nach und nach an Bord bringen. In der Nacht ist die Rettung gefährlicher. Die Boote werden während des gesamten Einsatzes mit dem Suchscheinwerfer beleuchtet.

29_Ray_of_hope

2:00

125 weitere Menschen werden an Bord genommen, darunter 7 Kinder, 20 Frauen und viele Minderjährige.

Jetzt steht fest, dass wir zusätzlich von der Marine 395 Gerettete übernehmen werden. Das Marineschiff ist jetzt noch ungefähr 30 Meilen entfernt. Beide Schiffe fahren aufeinander zu und wir werden uns in circa anderthalb Stunden treffen.

Der Zielhafen soll ungefähr zwei Tage entfernt sein. Aber noch hat uns das MRCC nicht mitgeteilt, welchen Hafen genau wir anfahren sollen. Wir werden also zwei Tage mit über 650 Flüchtlingen unterwegs sein. Das bedeutet, überall vom Bug bis achtern auf verschiedenen Decks werden wir sie unterbringen müssen. Hoffentlich wird es nicht regnen. Zudem gibt es nur wenige Toiletten.

3:15

Aus der Dunkelheit tauchen die Lichter des italienischen Kriegsschiffs auf. Schemenhaft können wir erkennen, dass das gesamte Hubschrauberdeck voller Menschen ist.

3:30

Der Transfer beginnt und dauert bis 10:00 Uhr am folgendem Freitag. Es wird voll auf der Aquarius. Es ist kaum ein freies Stück Deck mehr zu sehen.

10:30

Unser Zielhafen ist Messina auf Sizilien. Die Aquarius ist schon mit voller Geschwindigkeit auf dem Weg nach Italien. Am Sonntagmorgen werden wir unser Ziel erreichen.

Die Zahl der Rettungseinsätze am Donnerstag, den 23. Juni 2016, ist auf 40 gestiegen; die Zahl der Geretteten steigt auf bis zu 5.000. Das alles ist den deutschen Medien nicht viel mehr als eine Randnotiz wert.

Warten

Der siebte Tag auf See – 5. Tag in der SAR – AREA

Kurs: Langsamfahrt im Suchgebiet, Wind Nordwesten, dann Norden, Wellen 1-1,5 Maximum, 6 in der Nacht

Wegen des Wetters sind weiterhin keine Boot in Sicht

Eine Übung mit Boot kann das SAR-Team wegen des Wellengang nicht durchführen.

Unser „Bordprogramm“ wird um Sprachkurse, Yoga (für Hartgesottene bei hohem Wellengang) erweitert. Einige gucken Filme zum Zeitvertreib und natürlich Fußballspiele.

In der Nacht werden die Wellen bis zu 6 Meter hoch. Ein großartiges Schauspiel auf der Brücke. Das große Schiff hebt und senkt sich. Die Gischt spritzt hoch hinauf.

Peter allerdings liegt seekrank in unserer Kabine.

Die Wetteraussichten bleiben bis mindestens Dienstag schlecht

Der achte Tag auf See – 6. Tag auf See in der SAR – AREA

Kurs: halten-Langsamfahrt im Suchgebiet, Wind Nordwesten, Norden, Nordosten, Wellen 2,5 – 1 Maximum 5

Kein Boot in Sicht

04_Skizzieren_auf_der_Bruecke

Der übliche Gang zur Brücke. Auf dem Monitor des elektronischen Navigationssystems (Electronic Chart Display and Information System ECDIS) können wir jeden Morgen die neuesten Daten, wie die aktuelle Seekarte, unsere Position und Kurs, aber auch Radarinformationen und gespeicherte Daten ablesen.

Die kleinen blauen Kreise zeigen die Positionen der in den ungefähr letzten 2 Monaten geretteten Boote an. Sie häufen sich an unserer Position.

05_ECDIS-Display

Gerüchte, Gerüchte
Geschichten, Geschichten

Für Nachmittags und auch für morgen ist Regen vorausgesagt. Vielleicht wird es Mittwoch einen Rettungseinsatz geben. Das ideale Wetter wäre Sonne, Wind aus Süden und kaum Wellengang. Die Wellen sollen morgen nur 0,75 Meter hoch sein, der Wind aber aus Norden kommen.

Mittlerweile gibt selbst der Kapitän Unterrichtsstunden in Basic Navigation.

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Und ein dritter Geburtstag liegt an. Für Mark aus Kalifornien gibt es abends einen Kuchen und ein Geburtstagsständchen. Er bedankt sich und gibt seinen Gedanken Ausdruck. Das Flüchtlingsthema geht die ganze Welt an. Die Aquarius verkörpert das internationale zivile Engagement.

Später am Abend sind viele auf der Brücke. Es ist ein lauer Sommerabend. Wir können von hier die Lichter von Tripolis sehen. Wir sind aber außerhalb der Sichtweite.

Der neunte Tag auf See – 7. Tag auf See in der SAR – AREA

Kurs: halten-Langsamfahrt im Suchgebiet, Wind Norden, Nordosten, Norden , Wellen 1-0,75

Kein Boot in Sicht.

Der Leiter des SAR-Teams fragt beim MRCC nach. Sie empfehlen, vor Ort zu bleiben.

Sicher ist einzig, dass viele Boote starten werden.

Abends hält Christina eine Vortrag über den Asylprozess nach Erreichen italienischen Bodens. Die Geflohenen haben noch einen langen und ungewissen Weg vor sich.

Vierter Geburtstag. Rabbi, unser zweiter Koch, hat Geburtstag. Andreas, Erster Offizier, stimmt ein griechisches Geburtstagslied an. Alle singen Happy Birthday. Rabbi bedankt sich mit bewegenden Worten und wünscht der Aquarius in seinem Einsatz viel Erfolg.

06_Rabbi_hat_Geburtstag

Ebenezer, ein weiteres Besatzungsmitglied, wünscht Rabbi Erfolg und Wohlstand. Andreas fügt schnell hinzu: „And a woman!“

Der zehnte Tag auf See – 9. Tag auf See in der SAR – AREA

Kurs: Langsamfahrt im Suchgebiet, Wind Norden, Nordwesten, Norden , Wellen 0,5 -1,5, regnerisch

Kein Boot in Sicht.

Wir warten.

03_wir_warten